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Wachstumsfetischismus oder ein Leben in Würde 
 
Wir haben wiederholt von den 1300 entlassenen Arbeitern bei VW Südafrika berichtet. Über Monate sind die Verhandlungen vor der Schlichtungskommission vom Arbeitgeber verschleppt worden. Jetzt hat sie – zur 
Überraschung aller – entschieden, dass die Entlassenen bis 5. Februar wieder eingestellt werden müssen. Die Entlassung wegen eines so genannten wilden Streiks sei zu Recht geschehen, aber wie der Arbeitgeber diese Entlassung umsetzte, sei unfair. Wegen formaler Fehler ist die Kündigung also nichtig. VW Südafrika kann jedoch eine Überprüfung verlangen und tut es auch. Das kann die endgültige Klärung bis zu zwei Jahre verzögern. So wird einmal der Aufstand für die Menschenwürde in der Arbeitswelt Südafrikas ins Vergessen gedrängt, und bis dahin ist der Exportauftrag für VW Südafrika von einer Milliarde Mark jährlich fast abgewickelt. Durch den Streik erlitt VW Südafrika nämlich schon eine Umsatzeinbuße von 100 Mio Mark; Ähnliches befürchten sie wieder, wenn sie die 1300 Entlassenen einstellen. 
 
Die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA, die Ursache für den ganzen Streik, erklärte scheinheilig, sie begrüße das Schlichtungsergebnis. Ihr Sprecher, Jim Irvin, lehnte aber eine weitergehende Erklärung ab, die NUMSA müsse das Schlichtungsergebnis erst studieren. Die 1300 Entlassenen haben gestreikt und sind bei der NUMSA ausgetreten, weil sie 6 Vertrauensleute widerrechtlich ihres Amtes enthoben hat. Der Dachverband der NUMSA, die COSATU, und der ANC sind offensichtlich daran interessiert, dass das Schlichtungsergebnis angenommen wird. Aber VW Südafrika wird alles tun, um die 1300 Entlassenen nicht wieder einstellen zu müssen. Das ist aber kein Grund, hier im Zentrum des Kapitalismus in Verzweiflung und Zynismus zu verfallen. Die Kollegen in Südafrika werden nicht unsere Kämpfe führen, wir müssen sie schon selbst führen. Aber wir können von ihnen lernen, wenn wir uns in ihrem Kampf wiedererkennen. 
 
Der Kapitalismus agiert mittlerweile weltweit, global, wie es so schön heißt. Die Beherrschten haben nur eine Chance, wenn sie auch global kommunizieren, global denken, wenn sie lokal handeln. Also was in Seattle, auf den Philippinen und in Südafrika passiert, geht auch uns in Deutschland an. Auch wenn dort die Beherrschten noch keine großen Siege erringen, machen sich Widersprüche unter den Herrschenden bemerkbar, die zu einer höheren Sensibilität führen für das, was auf der Straße vorgeht und fortgeht. Die Herrschenden wissen, dass mit der Entlassung der 1300 Kollegen bei VW Südafrika die Schlacht noch nicht geschlagen ist. Die Schlacht im globalisierten Kapitalismus findet innen statt, in den Herzen der Menschen. Wo jedeR vor der Entscheidung steht: Wovon lasse ich mich lenken? Geld oder Würde? 
 
Blicken wir zurück. VW Südafrika wurde 1946 gegründet, als der Kapitalismus in Deutschland darniederlag und die Apartheid, d.h. die Diskriminierung von Menschen zum Zweck der Ausbeutung, in Südafrika institutionalisiert wurde. Über ein halbes Jahrhundert lang war VW Südafrika eine der profitabelsten Autofabriken in Südafrika. Sie belieferte den Automarkt für den Linksverkehr. 1980 arbeiteten dort ungefähr 6000 Menschen, getrennt von ihren Familien in den so genannten Homelands und untergebracht in VW-eigenen Wohnheimen oder selbst gebauten Hütten in künstlichen Siedlungen. So entwickelte sich in KwaNobuhle und in den Langa Townships, wie diese Siedlungen heißen, ganz natürlich der Widerstand gegen die Apartheid. Neue Gewerkschaften stellten sich auf die Seite der Anti-Apartheid-Bewegung; die NUMSA war eine der militantesten. So gelangte der ANC Mitte der 90er-Jahre an die Macht. Das Management von VW Südafrika wurde jetzt in südafrikanische Hände gegeben. Die Mitglieder der NUMSA meinten, in dieser neuen Zeit jetzt mal die jungen, die besser ausgebildeten ranlassen zu müssen; die Funktionärsschicht und die Vertrauensleute verjüngten sich. Die Arbeiter durften jetzt ihre Familien zu sich in die Townships holen. Das verstärkte das Selbstbewusstsein von Menschen, die für einen Stundenlohn von gerade mal 2 Mark die teuersten Gebrauchswagen der Welt produzierten. Das erhöhte aber auch die Arbeitslosigkeit und sprengte die Kapazität von Schulen und Krankenhäusern. VW reagierte darauf, indem es 1998 ein deutsches Management einsetzte, das das Werk im globalen Wettbewerb wieder zu einem Spitzenprofit bringen sollte. Transformationsprozess wurde das genannt, bei dem leider einiges aus dem Arbeits- und Sozialrecht aus der Zeit der Apartheid und aus der Zeit Nelson Mandelas aufgegeben werden müsse. Der jungen Garde der NUMSA-Funktionäre wurde dies schmackhaft gemacht mit der Aussicht auf einen Großauftrag über 68 000 Golf A4 (Wert 10 Mrd Mark), die im Laufe von 6 Jahren für Britannien anzufertigen seien. Wären die NUMSA-Vertrauensleute nicht mit arbeit- und sozialrechtlichen Einschnitten einverstanden, ginge der Auftrag an ein anderes VW-Unternehmen, vielleicht in Polen, Spanien oder China. Gefordert wurden ein 6-Tage-Woche mit einem wechselnden freien Tag, keine Zuschläge mehr für Überstunden am Wochenende, Pflicht zu unangekündigten Überstunden, maximal 12 Stunden pro Schicht und 70 Stunden in der Woche, nur noch eine Teepause, keine Werksschließung zwischen Weihnachten und Neujahr, Aufräumen außerhalb der 
Arbeitszeit, Meldepflicht für Bewegungen eines Arbeiters auf dem Werksgelände, unbare Lohnzahlung mit Gebühren, ein Beitrag zu einer bislang vom Arbeitgeber finanzierten Betriebsrente, fristlose Kündigung nach Zuspätkommen, kein Gang zur Toilette ohne Erlaubnis. In Erwartung höherer Löhne und eigener Karriere stimmten die jungen NUMSA- Vertrauensleute dem zu. Sie hielten sich nicht an ihre NUMSA-Statuten, nach denen vor jeder größeren Entscheidung Basiskomitees gehört werden sollen. Jetzt, nachdem doch der ANC in Südafrika und im VW-Management an der Macht war, so meinten sie, würden sie doch zum Management gehören. 1999 wurden die jungen NUMSA- Vertrauensleute deshalb abgewählt. Das Management von VW Südafrika stachelte die junge Garde der NUMSA auf, das nicht hinzunehmen. Die neuen NUMSA-Vertrauensleute wurden mit fadenscheinigen Gründen ihres Amtes enthoben. Im Februar 2000 traten deshalb 3500 in einen Streik, die NUMSA schloss 6 von 13 kritischen Vertrauensleuten aus. 1300 Kollegen blieben bei ihrem Streik und stehen heute ohne Arbeit da. 
 
Die Produktion bei VW Südafrika läuft mittlerweile wieder wie geschmiert. Für die noch Beschäftigten hat sich die Situation verschlechtert. Sie verdienen nicht nur weniger, sie stehen auch ihren Familien an den Wochenenden und in den Weihnachtsferien nicht mehr zur Verfügung. 
 
Der neue Präsident, Thabo Mbeki, in Britannien studiert und ehemals Mitglied im ZK der Südafrikanischen Kommunistischen Partei, kennt nur noch eines: Südafrika für das globale Kapital interessant machen. Wachstum um jeden Preis. Dazu erleichterte er den internationalen Kapitaltransfer, verdammte Streiks, privatisierte die South African Airlines, Telekommunikation und Energie, erleichterte das Rationalisieren und Schließen von Unternehmen; kleine Unternehmen mussten sich nicht mehr an die 45-Stunden-Woche und die Zuschläge für Sonntagsarbeit halten. Für staatlich Beschäftigte wurde die Lohnerhöhung auf 6 Prozent begrenzt, obwohl die Gewerkschaften über 9 Prozent forderten. Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate wurden üblich. Thabo Mbeki ließ sich von einer internationalen Gruppe führender Kapitalisten beraten, darunter Jürgen Schrempp von DaimlerChrysler und der irische Medienmulti Tony O’Reilly, der schon die Hälfte aller großen Tages- und Wochenzeitungen in Südafrika besitzt. Thabo Mbeki traf sich 2000 privat mit den Spitzen von VW Südafrika und VW International beim Weltwirtschaftsforum in Davos. 
 
Die Kommunen machten es der Regierung nach und privatisierten die Wasserversorgung und die Müllabfuhr. An den Universitäten privatisierten sie die Dienstleistungen und stellten als Tutoren externe Teilzeitbeschäftigte ein. Das half alles nichts. Das Kapital ging außer Landes, ebenso weiße Fachkräfte. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 30 Wohnungen wurden knapp, kommunale Dienstleistungen verschlechterten sich, die Löhne blieben hinter den Preiserhöhungen zurück, das Bildungs- und das Gesundheitssystem wurden schlechter, Aids und Kriminalität breiteten sich aus. Das konnte nicht gut gehen, ein Ventil wurde gebraucht. So veranstaltete der vom ANC dominierte Gewerkschaftsbund COSATU am 10. Mai 2000 einen landesweiten Generalstreik gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit und die abnehmende Mitsprache von Gewerkschaften bei Rationalisierungen. Die Beschäftigten von VW Südafrika nahmen nicht an diesem Streik teil, während DaimlerChrysler, BMW, Nissan, Toyota, Samcor und Delta Motors ihre Betriebe für diesen Tag schlossen. Insgesamt 4 Mio Menschen nahmen daran teil. Aber nur für einen Tag. Andere Proteste begrenzte die COSATU auf Sonn- und Feiertage, so dass den Unternehmen kein wirtschaftlicher Schaden entstand. 
 
Denn auch dieser Gewerkschaftsbund hat sich wie die Regierung gewandelt: Die WTO hat ihre Fangarme nach Südafrika ausgestreckt, und die Regierung kommt nicht mehr los, weil sie mit fremdem Kapital auf die eigenen Füße kommen will. Wachstum und damit Profit ist Thabo Mbeki wichtiger als die Lebensumstände der Menschen. Verschlankung, Zentralisierung, Privatisierung hat sich die Regierung auf ihre Fahnen geschrieben, und COSATU und die Südafrikanische Kommunistische Partei machen mit. Ohne Korruption ist diese Wendung der Anti-Apartheid-Allianz um 180° nicht vorzustellen. Und so verhindert Thabo Mbeki doch tatsächlich, dass eine bisher sehr erfolgreiche Antikorruptionseinheit ein Waffengeschäft mit Deutschland untersucht. Kritische ANC-Parlamentarier des Haushaltausschusses geraten zunehmend unter Druck von Seiten der Regierung. Der Sozialstaat lässt sich eben ohne Korruption nicht abbauen. Wer den Produktionsprozess stört, wird korrumpiert oder ausgegrenzt. Darin sind sich COSATU und ANC und Kapitalisten einig. 
 
Aber die Ausgegrenzten organisieren sich in neuen Gewerkschaften, in unabhängigen Bildungszentren, in Selbsthilfevereinen, in lokalen und globalen Zusammenschlüssen, an denen durchaus auch lokale Gruppen von COSATU und ANC teilnehmen, und machen auf diese Weise den Herrschenden zu schaffen. Hausangestellte, Straßenverkäuferinnen und Frauen aus der Lebensmittelindustrie entwickeln neue Formen der Organisation. Sie tun sich nicht notwendigerweise gegen den globalisierten Kapitalismus zusammen; aber sie haben begriffen, dass sie ihre Sache selbst in die Hand nehmen müssen und sie nicht den Funktionären überlassen dürfen. Auch auf die Gefahr hin, den eigenen 
Arbeitsplatz zu verlieren. Denn noch wichtiger ist es, die eigene Würde zu behalten. Das ist das Vermächtnis der 1300 Entlassenen bei VW Südafrika. Das ist das Neue, womit die Neoliberalen in Regierung und Gewerkschaft nicht umgehen können. Dazu gehört gar nicht so viel Mut, wenn man täglich mit ansehen kann, wie die Versprechungen der Neoliberalen sich in ihr Gegenteil verkehren. 
 
Bleibt die fast unergründliche Frage: Warum ließen sich Thabo Mbeki und Genossen so einwickeln, dass sie heute zum Instrument des Neoliberalismus in Südafrika geworden sind? 1. Die Initiative zum Sturz der Regierung ging von Wirtschaftskreisen in Südafrika aus, nicht vom ANC. Gesponsert wurden die ersten Geheimgespräche von Consolidated Goldfields. Thabo Mbeki nahm vom zweiten Treffen an teil und wurde ob seiner Intelligenz von weißen Akademikern gelobt. Er war es auch, der Attentate von unabhängigen ANC-Gruppen verurteilte, die auch zivile Opfer forderten. Schließlich kam 1989 ein 9-Punkte-Plan für eine nichtrassistische Regierung heraus. Das Kapital braucht ungestörte Produktionsbedingungen in Südafrika, dafür ist jetzt durch VW Südafrika gesorgt. 2. Thabo Mbeki musste über 30 Jahre im Exil leben. Für ihn sind dies verlorene Jahre, ein verlorenes Leben. Er und viele seiner Genossen wollen jetzt Versäumtes nachholen, sich frei bewegen und das Leben genießen. Das wird ihnen vom Neoliberalismus versprochen. Verständlich, dass sie darauf hereinfallen.

 

Verständlich, aber nicht entschuldbar, denn sie ließen sich von den Weißen einseifen. Sie orientierten sich am Intelligenzmaßstab der Weißen: „Wenn die Wirtschaft wächst, geht es den Menschen gut.“ Sie 
orientierten sich nicht am Intelligenzmaßstab der Menschen: „Wenn die Menschen auf eigenen Füßen stehen können, geht es den Menschen gut.“ 
 

KT 3-2-01

 
 
 
 
 
Philippinen 
 
Monsanto, der Weltkonzern für genmanipuliertes Getreide, versucht, die Dritte Welt zu beherrschen. Aber da regt sich Widerstand, z.B. auf den Philippinen. Auf kommunaler Ebene entschieden sich die Menschen dagegen, dass Monsanto genmanipulierten Mais auf verschiedenen Feldern testen darf. Die regionalen Institute des Komitees für Biosicherheit wurden durch Monsanto gegründet und von Regionalpolitikern geleitet. Kein Wunder, dass das Nationale Komitee für Biosicherheit die kommunalen Entscheidungen revidierte und die Tests von genmanipuliertem Mais erlaubte. Der Oberste Gerichtshof der Philippinen lehnte eine Klage dagegen aus formalen Gründen ab. Trotz der Warnungen von Bauernführern und Wissenschaftlern in folgenden Punkten: 
- Genmanipulierter Mais ist eine Gefahr für die Gesundheit. 
- Genmanipulierter Mais reduziert die Vielfalt der Pflanzenarten, weil alle Bauern letzten Endes diesen Mais verwenden müssen, wenn sie im globalen Wettbewerb bestehen wollen. 
- Genmanipulierter Mais nimmt den Bauern den Markt für Ökoprodukte, weil diese dann in der Relation für die Menschen in der Dritten Welt zu teuer sind. 
- Die Bevölkerung ist über die Risiken nicht aufgeklärt worden. 
- Bauern, die nicht mitmachen wollen, fürchten, dass ihre Felder von den Testfeldern infiziert werden. 
- Der Insektenbefall bei nicht manipuliertem Mais ist nur ein Randproblem der Bauern. Die wirklichen Probleme der Bauern auf den Philippinen sind Landlosigkeit, Preismanipulationen während der Ernte, Exportorientierung, Wucher, Landzerstörung durch Bergwerke. 
Das alles zählt nicht. Deshalb haben jetzt Bauern in einigen Provinzen zur direkten Aktion gegriffen. Innerhalb von drei Minuten zerstörten sie Testfelder von 75 m². Das geschah in den Provinzen Maltana, Tampakan und Süd-Cotabato. 
 
Andere Provinzen haben Monsanto Testfelder grundsätzlich verwehrt. Koronadal City will keine genmanipulierten Produkte. General Santos City will 5 Jahre lang keine genmanipulierten Produkte. Der Kampf der Bauernbewegung auf den Philippinen gegen Neokolonialismus geht weiter. 
 

KT 7-9-01

 
 
 
Kolumbien 
 
Was hat Kanada mit Kolumbien zu tun? Kanadische Unternehmen investieren dort und gehen dabei mit Menschen und Umwelt nicht zimperlich um.  
 
Bisher konnten in Kolumbien selbstständige Minenarbeiter Gold, Silber, Smaragde und andere Mineralien unter dem Dach der staatlichen kolumbianischen Bergbaugesellschaft Minercol zu Tage fördern; das war ihnen sogar durch die kolumbianische Verfassung garantiert. Kürzlich hat die kolumbianische Regierung unter Präsident Pastrana dies geändert und dabei Bergbaugesellschaften im Besitz seines Clans begünstigt. 
 
Kohle aus Kolumbien wird gerne von den USA importiert, weil dort Arbeitsbedingungen und Umwelt eine viel geringere Rolle spielen und dadurch den Abbau verbilligen. Multinationale Energieunternehmen, darunter auch kanadische, haben die kolumbianische Regierung dazu gebracht, weiter und länger Öl fördern zu lassen. Gemeinden und Gewerkschaften wehren sich dagegen, was zu Mordanschlägen durch Paramilitärs führt, die im Auftrag von reichen Landbesitzern und Militärs handeln. Die wiederum sagen, sie würden sich nur gegen die Guerilla wehren. Die Guerilla hat in den Sechzigern als eine Bewegung von landlosen Bauern begonnen. 80 er Morde haben die Paramilitärs auf dem Gewissen, den Rest die Guerilla und das Militär. Alle nehmen Schutzgelder von Coca-Bauern. Sie bauen Coca an, weil die Weltmarktpreise für Kaffee und Getreide so entsetzlich niedrig sind. Auch gibt es immer weniger Anbauflächen für Getreide, weil die Großgrundbesitzer noch mehr Land zusammenkaufen in Erwartung der Investoren aus dem Norden, auch aus Kanada, die mit dem Bergbau in Kolumbien schnell Profit machen wollen. Damit die kolumbianischen Gesetze entsprechend geändert werden, fließen Bestechungsgelder über Schweizer Konten. Besonders wo sich Menschen in ihrer Not zusammentun, sei es in Gewerkschaften, in Frauen- oder Menschenrechtsgruppen, geschehen viele Morde. Hinter den Morden und Verschleppungen steht meistens die Regierung. Bislang sind 2,5 Mio Menschen Opfer dieses Terrors geworden, die meisten davon in der Hauptstadt Bogota. 
 
Die kanadische Regierung ist direkt beteiligt an einem großen Staudammprojekt in Kolumbien, bei dem Indianer von ihrem Land vertrieben werden. Kanada beteiligt sich auch an dem sogenannten Plan Colombia der USA, bei dem Felder der Coca-Bauern niedergebrannt und sie gezwungen werden, mit einem genmnanipulierten Produkt des Konzerns Monsanto Getreide anzubauen. Das geschieht nicht zufällig in Gebieten mit großen Ölressourcen. Hier herrscht auch das US-Militär. Was also angeblich ein Krieg gegen Drogen ist, ist ein Kampf um billige Bodenschätze. 
 
Auch billige Schnittblumen kommen aus Kolumbien. Die ArbeiterInnen müssen zu Hungerlöhnen 15 Stunden täglich arbeiten. Ihre Gesundheit ist durch Pestizide gefährdet. Das Land ist anschließend nicht mehr zu gebrauchen. Mit dieser Methode bekämpft die Weltbank rund um den Globus die Armut. 
 
Wer also im Norden von billigen Gütern und Dienstleistungen lebt, sollte wissen, dass er dies auf Kosten von Millionen Ermordeten und Erniedrigten im Süden tut. 
 

KT 23-11-01

 
 
 
Sind unsere Probleme technischer Natur? 
 

 
Die Sprachlabors an Schulen, für die sich die SPD in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts so engagiert hat, haben nicht viel gebracht; in Frankreich und in Britannien lernen mehr Menschen Fremdsprachen. Die Bildungsoffensive der SPD in diesen Jahren hat nicht viel gebracht; der Anteil der Studierenden aus Arbeiterfamilien hat sich nicht wesentlich erhöht. Trotzdem tut die SPD auch heute noch so, als liege das Problem in einer veralteten Technologie und in zu geringen finanziellen Mitteln für Bildung und Forschung; das Problem liegt aber in den Menschen. Wie werden sie erzogen? Ihnen wird gesagt, was für sie wichtig ist. Man lässt ihrer Neugier und dem Drang, ihre Kräfte zu testen, in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, in der Hochschule nicht freien Lauf, sondern zwingt sie, in einer vorgegebenen Zeit Informationen zu reproduzieren, für die sie sich nicht begeistern. Begeisterung, Empathie, Gefühlen zu folgen ist aber die Vorbedingung für Intelligenz, die die Wissenschaften vom Menschen und der Natur weiterbringt, Beispiele: Karl Marx, Albert Einstein, Erich Fromm, Jost Stollmann ... Solche Menschen mit Kreativität und soft skills sind die Ausnahmen im kapitalistischen System. Sie können auch durch Managment-Trainer und Motivations-Trainer nicht erzwungen werden. Der Kapitalismus könnte viele Einsteins haben, wenn er nicht diese geisttötende, dies subjekttötende Erziehung hätte. Aber er kann nicht anders. Er kann sich Menschen nur als Objekte vorstellen. 
 
Die SPD hatte sich einmal für das Subjekt eingesetzt, für die freie Entwicklung eines/einer jeden als Bedingung für die freie Entwicklung aller, für die Beseitigung der Armut, des Kapitalismus, des Drogenkonsums ... Heute dagegen sagt sie: Das alles ist nicht zu beseitigen: ... akzeptierende Drogenpolitik. Es muss nur ordentlich verwaltet werden, nach Kriterien einer effizienten Arbeitsorganisation, sozial verträglich. Sozial verträglicher Kapitalismus. 
 
Dabei haben die Verantwortlichen in der SPD durchaus ein ungutes Gefühl. Gerhard Schröder hat Angst, die Kultur könnte verloren gehen. Edelgard Bulmahn sehnt sich nach einer Intelligenz, die aus einer subjektiven Empfindung kommt. Monika Griefahn meint, man solle die Kinder ihrer Neugier folgen lassen. Dass das alles aber nur möglich ist, wenn mensch eine Alternative zum Kapitalismus in sich spürt und ihr folgt, ist jenseits ihres Horizonts. 
 
So fahren sie ab auf Internet-Technologie und Bio-Technologie in der Hoffnung, damit mehr fremdbestimmte Arbeitsplätze zu schaffen und die Menschen zufriedenzustellen. Der Widerspruch des Kapitalismus spitzt sich dadurch aber nur zu: Die Menschen sind immer weniger zufrieden, was sich an zunehmenden fundamentalistischen Strömungen zeigt, an zunehmender Korruption und organisierter Kriminalität, an zunehmendem Drogenkonsum. Wichtiger als Arbeitsplätze ist den Menschen die Freiheit. Das zeigt die Geschichte der DDR. Das zeigt die Geschichte der Zivilgesellschaft. Und Revolutionen brechen sich Bahn, wenn die Herrschenden nicht rechtzeitig erkennen, was die Stunde geschlagen hat. Dabei wissen die Menschen sehr wohl zu unterscheiden zwischen der "Freiheit", sich selbst auszubeuten, und der Freiheit, den eigenen Gefühlen zu folgen. 
 
 
II 
 
Welche Probleme haben die Menschen in Deutschland heute? Sind die durch Technik zu lösen? Die Menschen im Kapitalismus sind verunsichert: Ist mein Broterwerb gesichert? Habe ich ein Dach über dem Kopf? Habe ich Freunde? (Das waren keine Fragen im ersten Sozialismusversuch in Deutschland.) Wie weit kann ich mich individuell frei entfalten? Wie entwickeln sich die Lebensbedingungen für Menschen auf der Erde ökonomisch und ökologisch? Wie schütze ich mich vor daraus entstehenden Kriegen? Diese Probleme lassen sich nicht durch eine neue Technik lösen. 
 
Unternehmen wie AOL jedoch, die sich für die neue Technologie des Internets einen Markt schaffen wollen, reden den Menschen Probleme ein, für die sie dann angeblich die beste Lösung haben: Wie besorge ich mir schnell eine Bahnverbindung? Wie komme ich schnell an eine Telefonnummer? Wenn die Lösung solcher angeblicher Probleme Arbeitsplätze schafft, sind Sozialdemokraten schon mal begeistert: Das Internet sei die Basistechnologie der Zukunft, weil es das Kommunikationsbedürfnis der Menschen befriedige. Sowohl der Parteivorsitzende Gerhard Schröder ("das dynamische Wachstum der Informations- und Kommunikationswirtschaft weiter voranbringen") wie der Generalsekretär Franz Müntefering ("das Medium Internet eine der großen Chancen für die Menschheit") hatten Grußworte an den Internet-Kongress der SPD am 7. Juli in Hamburg geschickt. Der Parteivorstand hatte extra zu diesem Event ein Diskussionspapier vorgelegt. Ortwin Runde, Bürgermeister von Hamburg, kam richtig ins Schwärmen, als er über die Hafencity, das größte europäische Bauprojekt, und den MediaCityPort redete. Gemeinsam mit Intel, Bertelsmann und AOL Time Warner. Freedom and equality. Dafür seien die SPD, John F. Kennedy, AOL und Gerhard Schröder schon immer gewesen, jetzt müsse letzterer nur noch für eine marktfähige Flatrate und mehr Breitband in Deutschland sorgen, so Gerald M. Levin, Chief Executive Officer von AOL Time Warner. Und Nicola Söhlke, die Geschäftsführerin von AOL Deutschland: Wir erschließen einen Markt in Public Private Partnership. Was sind die Probleme der Leute? Die Leute wollen sich nicht Gedanken machen. Die Leute wollen Mehrwert erleben: Manage my life. 
 
Die Menschen wollen keine Subjekte mehr sein? Da runzelt Ortwin Runde doch schon mal die Stirn. Vor allem, wenn ihm Jeremy Rifkin bei gleicher Gelegenheit sagt, Kultur komme vor Kommerz und Intelligenz sei nicht übers Internet zu schaffen. Ortwin runde beeilt sich dann zu sagen, bei der Hanse sei Kultur schon immer mit Handel verbunden und er halte das Herumtollen der Kinder im Freien immer noch wichtiger als das Sitzen vor der (Computer)Glotze. Und Edelgard Bulmahn beeilt sich zu sagen, dass Geld in der IT-Forschung nicht ausreiche. Es komme darauf an, was und wie gelernt werde. 
 
Der SPD ist sichtlich unwohl bei der Partnerschaft mit dem großen Geld. Aber sie mogelt sich an den eigentlichen Problemen der Menschen in Deutschland vorbei: Im kapitalistischen "JedeR gegen jedeN" wird Kommunikation zerstört, Identitäten entstehen nicht mehr, Kultur entsteht nicht mehr. Wer sich in der Familie nichts mehr mitzuteilen hat, hat sich auch über Kontinente nichts mehr mitzuteilen. Dringender denn je werden Menschen gebraucht (auch vom Kapitalismus), aber der Kapitalismus hat sie fast alle zerstört. Übrig geblieben sind Konsumenten. Auch MediaCityPort in Hamburg sucht Menschen mit soft skills: Sozialkompetenz, Konfliktfähigkeit, Führungsfähigkeit, Fähigkeiten zu vernetztem Denken. Siegmar Mosdorf, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, konnte nur durch eine Massenkarambolage auf der Autobahn davon abgehalten werden, folgende Worte Josef Ridderstrales (Stockholm School of Economics) auf dem Internet-Kongress persönlich vorzutragen: "Marx hatte Recht. Die Arbeiter kontrollieren die Produktionsmittel. Denn das Produktionsmittel der Zukunft ist unser Gehirn. Kreative Köpfe bringen das Kapital zum Tanzen. Unternehmen sind nur erfolgreich, wenn die Leute dort anders denken können. Business as usual ist langweilig. Doch wo es langweilig ist, wollen die guten Leute nicht arbeiten - und die Kunden nichts kaufen." 
 
Jost Stollman, Gründer des erfolgreichen Unternehmens Compunet, findet in der kapitalistischen Gesellschaft nicht die Sorte von Menschen, die er für einen solchen Erfolg braucht, und will daher die Erziehung von Kindern ändern und setzt auf Menschen, die nicht aus Zwang arbeiten: "Sozialkompetenz und Menschenbild sind festgelegt, wenn ein Mensch mit 23 Jahren zu uns kommt. Da können sie noch so viel Kopfstände oder Voodoo-Kurse machen - was Kommunikations- und Konfliktfähigkeit angeht, ist der Mensch geprägt. Ich denke darüber nach, ob wir einen Beitrag leisten können, dass mehr Menschen zu jenem Menschenbild kommen, dem sich meine Frau und ich verpflichtet fühlen. Wir meinen, dass es besser ist, frei und selbstverantwortlich zu leben. Ein Leben glückt eher, wenn man es verantwortlich führt. Ob Menschen dazu fähig sind, wird gewiss durch Genetik und Gottes Gnade beeinflusst - und durch Förderung in den frühesten Jahren. Wir müssen also etwas für die Kinder tun, und wir sehen dafür drei Ansatzpunkte. Nummer eins ist: Eltern und Lehrer mit dem Wissen zu diesem Thema versorgen. Das ist nichts besonders Neues: Eine ‚community of interests for parents, kids and educators' funktioniert in den USA schon. Da gibt es nicht die Frage, ob das richtig ist, ob es einen Bedarf gibt - das ist alles klar. Das ist die Kategorie: Muss gemacht werden. Wir wissen aber auch: Das Einzige, was Sozialkompetenz fördert, ist Erleben, Tun, Machen. Deshalb wollen wir die ‚community of interest' mit einer ‚community of activities' verbinden: Wir wollen eine ganze Infrstruktur bauen - um Kunst zu machen, Musik, Sport oder ein Radio im Internet. Man könnte einen Kilometer Umweltverantwortung für den Rhein vergeben, einen Stadtführer für Kinder schreiben, gemeinsam den virtuellen Louvre besuchen - es ist völlig egal. Wichtig ist nur, dass Kinder zusammenarbeiten, über Sprachen und Schulen hinweg. Und dass sie dabei Konfliktlösungs- und Kommunikationsfähigkeiten entwickeln. Das ist neu. Das gibt es nocht nicht. Für uns ist eine solche Arbeit um so sinnvoller, als wir mit unseren fünf Kindern auch eine Art Interessengemeinschaft bilden. Wir können etwas gemeinsam machen. Das ist gut. Weil das Ganze aber auch finanziert werden muss, planen wir eine dritte Community - die ‚electronic commerce community for parents'. Dafür suchen wir nach führenden aggressiven Marktteilnehmern, denen wir den Zugang zu unserer Community anbieten. Bei Compunet war unser Antrieb: dier Welt zu verändern durch neue Technologien für die Business-to-Business-Kommunikation. Jetzt ist es: die Welt zu verändern durch die Förderung von Kommunikations- und Konflikfähigkeit bei Kindern. Ob ein Unternehmen in Zukunft überlebt, wird in erster Linie davon abhhängen, ob es gelingt, die Komplexität zu managen. Und das wiederum hängt von den Kommunikations- und Koordinationsfähigkeiten ab. Wir glauben gern, dass Technik das Problem lösen kann; Fax, Telefon, Internet sollen uns verbinden. Aber das reicht nicht weit, der Rest ist Sozialkompetenz, ist die menschliche Seite: Sinnvoll Beziehungen erhalten zu können, Inititativen ergreifen zu können. Das ist entscheidend. Keine Sorge, da entwickelt sich einiges. Viele Menschen arbeiten nicht mehr aus Not - aber ein Unternehmen hat immer mehr Not, attraktive Menschen zu finden." (ECONY 1/98) 
 
Also ein bisschen Distanz zu sich selbst, Rückbesinnung auf die eigene Geschichte täte der SPD gut. Die SPD (und auch die SED) erwartete einmal von der Atomenergie die Lösung aller wirtschaftlichen Probleme, nachdem sie das Ziel eines freien Menschen in einer menschenwürdigen Gesellschaft aufgegeben hatte. Heute kommt sie nicht mehr Arm in Arm mit den AKW-Betreibern daher, sondern Arm in Arm mit den Internet-Providern und muss sich von den fortschrittlichen Kapitalisten beschämen lassen mit der Forderung: Wir brauchen dringend (wenn auch aus anderen Gründen) den freien, kreativen Menschen. 
 

KT 9-7-01

 
 

 

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Letzte Änderung am 23.04.2002
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